Interview mit Patrick Link

Patrick, können Sie uns ein wenig über Ihren beruflichen Werdegang erzählen und wie Sie zum Professor für Design Thinking wurden? 

Larry Leifer, einer der drei Gründungsdirektoren der d.school an der Stanford University, lebt zum Teil in der Schweiz in einem kleinen Dorf in der Nähe der HSLU. Larry führte uns in Design Thinking Denkweise ein. Seitdem hat die HSLU, am Anfang mit Unterstützung von Larry’s Team, viele Module und Kurse in Design Thinking entwickelt. 

So haben wir viele verschiedene Formate ausprobiert – von einer 2-stündigen Einführung in das Mindset, über einen 4-stündigen Einführungsworkshop bis hin zu einem CAS Design Thinking, das über 6 Monate läuft. 

Parallel dazu haben wir zusammen mit Larry eine Expertengemeinschaft für Design Thinking Praktiker in der Schweiz ins Leben gerufen. Der internationale Bestseller „The Design Thinking Playbook“ war eine Idee, die aus dieser Gemeinschaft herauskam. Viele Experten haben zu diesem Buch beigetragen.  

Wie sind Sie auf das Design Thinking aufmerksam geworden? Und was lieben Sie am Design Thinking? 

Ich habe an der ETH Zürich am ehemaligen BWI promoviert. Die Denkweise, die ich in meiner Doktorarbeit angewandt habe, basierte auf Systems Engineering, einem stark analytischen Problemlösungsansatz. Als ich das Design Thinking entdeckte, erkannte ich den komplementären Aspekt – ähnlich wie beim Modell der rechten und linken Gehirnhälfte. Design Thinking fördert eine teambasierte Problemlösung von komplexen Problemen und ist besonders vorteilhaft in Kombination mit anderen, meist analytischen Ansätzen, vor allem mit Systems Thinking. Heutzutage ist die Kombination von Design Thinking und System Thinking besonders nützlich beim Design von Business Ökosystemen, bei denen die Bedürfnisse der Kunden im Mittelpunkt stehen, um erfolgreich zu sein.  

Warum ist dieses Thema „Design Thinking“ heute so wichtig? 

Erstens stehen wir vor immer mehr wicked Problemen, die nicht von einem Genie allein, sondern nur in einem interdisziplinären Team gelöst werden können. Dort muss man eine gemeinsame Sprache und Denkweise für die Zusammenarbeit etablieren. Design Thinking hilft, dieses gemeinsame Verständnis zu schaffen und fördert die Kreativität. 

Zweitens ist die Benutzerzentriertheit zentral, um die richtigen Lösungen zu definieren. Design Thinking unterstützt die Co-Creation, eine enge Beziehung mit dem potentiellen Kunden/Nutzer aufgrund des iterativen Ansatzes mit vielen Prototyping- und Testsitzungen. Dies führt zu einem starken nutzerzentrierten Ansatz, stellt sicher, dass der Problem/Lösungs-Fit gegeben ist und die Anforderungen korrekt beschrieben und priorisiert werden.  Drittens brauchen wir mehr Innovation und eine Kultur, die radikale Innovationen unterstützt und eine positive Misserfolgskultur fördert. Design Thinking unterstützt die Organisation bei der Suche nach radikalen Innovationslösungen und der digitalen Transformation der Organisation.

Was ist die beste oder schlechteste Karriereberatung, die Sie je erhalten haben? 

Folgen Sie Ihrem Herzen, arbeiten Sie hart und stellen Sie sich immer vor, wie eine mögliche Zukunft aussehen wird. 

Wir alle ziehen es vor, in einer offenen, ehrlichen und freudvollen Umgebung zu arbeiten, und natürlich in einem coolen Team mit Leuten, mit denen wir gerne zusammen sind. Wir arbeiten gerne und haben gleichzeitig Spaß. Suchen Sie also eher nach guten Leuten als nach guten Jobs. Wenn Sie mit respektablen Leuten arbeiten, werden Sie einen guten Job haben. Wenn Sie mit schlechten Menschen arbeiten, werden Sie nie eine glückliche Zeit bei der Arbeit haben. Wir arbeiten immer mit Menschen und Funktionen sind nur Beschreibungen auf einem Organigramm. Bauen Sie also Ihre Teams und Organisationen um Menschen herum auf, und nicht um Funktionen herum. Ihr Herz hilft Ihnen, die richtigen, vertrauensvollen Menschen zu finden. Persönlich rate ich meinen Studenten, die Design Thinking Denkweise auch für ihre persönliche Lebensplanung anzuwenden. Larry Leifer hat vor kurzem zusammen mit Michael Lewrick das „Design Thinking Life Playbook“ veröffentlicht, das die Selbstbefähigung fördert und den Lesern hilft, proaktiv zu denken, zu handeln und ihre Chancen zu nutzen. 

Was ist die schwierigste Situation, der Sie als Professor für Design Thinking bisher begegnet sind?  

Es gibt Gruppen, in denen alle Teilnehmer den Design Thinking-Kurs besuchen und Design Thinking lernen wollten. In anderen Fällen waren einige Personen gezwungen, an der Design Thinking-Schulung teilzunehmen, weil ihr Unternehmen sie in die Schulung geschickt hatte. Interessanterweise funktioniert Design Thinking auch dann, insbesondere wenn es für die Teilnehmer um die Erstellung von Prototypen geht. Dann sind sie wieder in ihrer Kindheit, wenden eine Anfängerhaltung an und erinnern sich daran, wie viel Spaß es machte, etwas mit den eigenen Händen zu bauen oder etwas zu zeichnen. Leider haben wir diese kindliche Neugierde verloren, während wir das derzeitigen Schul- und Universitätssystem durchlaufen haben. Dort wurden wir bereits auf eine starke „Null-Fehler-Kultur“ getrimmt. Die Firmenkulturen sind oft auch so. Wir haben darauf verzichtet, anders zu denken, und vielfach alles dem Erfolg untergeordnet. 

Die größte Herausforderung besteht also darin, Dinge zu verlernen, an die wir uns über die Jahre gewöhnt haben und uns getrauen, wieder Fehler zu machen und so zu lernen. 

Inwiefern ist Design Thinking für Ihre Rolle relevant? 

Ich versuche jeden Tag zu lernen und Dinge zu prototypisieren und zu testen, um von Anfang an zu lernen und mich dann weiter herauszufordern und zu verbessern. Diese Denkweise begleitet mich überall, im Privatleben, an der Universität und im Start-up Trihow. 

Der Design Thinking-Ansatz an der Hochschule hilft uns bei der Schaffung neuer Programme wie dem CAS Design Thinking oder Smart-up, einem Programm zur Unterstützung von Start-ups an der Hochschule Luzern. 

In meinem Leben als Entrepreneur in einem Start-up hilft es enorm. Bei Trihow entwickeln wir neue Wege der Interaktion zwischen Menschen. Die hybride Welt von Trihow kombiniert die einfache Bedienbarkeit und die Haptik der analogen Welt mit der Leichtigkeit der Bearbeitung und Wiederverwendbarkeit der digitalen Welt. Wir schaffen neue hybride Arbeitswelten und fördern so das Verständnis im Team und die Fähigkeit, Lösungen zu finden. Diese Ansätze sind alle radikal neu. Sie können nur in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern in einem iterativer Ansatz geschaffen werden. Hier spielt die Denkweise des Design Thinking eine wichtige Rolle.  

Sie haben das beliebte Buch „Design Thinking Playbook“ mitgeschrieben. Was hat Sie dazu veranlasst, die „Design Thinking Toolbox“ zu schreiben? Was ist der Unterschied zwischen den beiden Büchern? 

Das „Design Thinking Playbook“ erklärt den Ansatz und die Philosophie des Design Thinking. Es zeigt, wie Design Thinking mit anderen Ansätzen wie System Thinking, Datenanalyse, Lean Start-up oder agiler Innovation kombiniert werden kann. Auch relativ neue Themen wie Business Ecosystem Design werden behandelt. Das „Design Thinking Playbook“ wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und wurde zum Standardwerk für Design Thinking an vielen Universitäten und Ausbildungsprogrammen. 

Die neue Toolbox ist rein kundenorientiert, denn unsere Gemeinschaft von Praktikern und Lesern sagte uns, dass das „Design Thinking Playbook“ großartig und inspirierend ist, aber die Werkzeuge zu wenig beschrieben sind. 

Das Hauptziel der „Design Thinking Toolbox“ besteht also darin, unsere Leser zu motivieren, neue Werkzeuge auszuprobieren und ihnen mit einfachen Vorlagen und Tipps zu helfen, diese effektiv zu nutzen. Das Toolbook unterstützt den Leser dabei, Design Thinking in der Praxis anzuwenden. 

Sie werden auf dem Europäischen PO&RE-Tag über die „Design Thinking Toolbox“ sprechen. Worum geht es in dieser Toolbox?  

In der „Design Thinking Toolbox“ werden die 50 nützlichsten Werkzeuge ausführlich beschrieben. Jedes Werkzeug wird auf vier Seiten beschrieben. Es wird erklärt, wann und wie die Werkzeuge zu benutzen sind, und es wird eine Vorlage zur Verfügung gestellt, die heruntergeladen werden kann. Zusätzlich ist eine kurze Einführung in Design Thinking, Warm-ups und Anwendungsfälle enthalten. Die Toolbox ermöglicht es Ihnen und Ihrer Organisation, mit den richtigen Werkzeugen und Vorlagen effektiver und effizienter zu arbeiten. 

Die Auswahl der 50 effektivsten Werkzeuge und Methoden wurde durch die größte internationale Umfrage zu Design Thinking-Tools mit mehr als 2500 Teilnehmern aus der weltweiten Desing Thinking-Community getroffen. Darüber hinaus haben mehr als 100 Design-Thinking-Experten zu diesem Buch beigetragen, indem sie ihre Lieblingswerkzeuge beschrieben und überprüft haben. 

Für welche Rollen ist diese Toolbox am relevantesten?  

Die Design Thinking Toolbox ist für Personen nützlich, die Workshops oder Sitzungen moderieren (facilitieren), um ein Problem besser zu verstehen und eine geeignete Lösung zu finden. Dies können Produktmanager, Product Owner, SCRUM-Master, aber auch Manager oder Teamleiter sein. Wichtig ist, dass sie die Neugierde haben, neue Dinge auszuprobieren und zu lernen. Wir verwenden die Templates auch in unseren Universitätskursen und viele Leute benutzen sie im virtuellen Raum in Tools wie Mural, Conceptboard, Nexboard oder Miro. 

Design Thinking ist das richtige Mindset, um komplexe (wicked) Probleme zu lösen, kundenorientiert zu sein und die Intelligenz eines interdisziplinären Teams zu nutzen.